Für Nadelberge mit seltenen Ameisen mitten im Wald können sich noch recht viele Menschen begeistern. Ganz anders im Garten: Die Suchanfrage Ameise + Garten führt unhinterfragt zu Artikeln über das Bekämpfen, Vertreiben und Loswerden. Ja, Ameisen können beißen und sie können Ameisensäure verspritzen. Manche Arten besitzen einen Stachel. Sie entfernen Erde zwischen Pflastersteinen und errichten Erdtürmchen an der Erdbeerpflanze. Sie verfrachten Läuse auf Obstbäume und hüten die Schädlinge an den Gemüsewurzeln. Sie entdecken jede Zuckerdose auf dem Terrassentisch und gelangen mit der Ernte in die Küche. Wozu dann bitte Ameisen fördern?
Die Rote Liste für Ameisen ist alarmierend. Laut dem Rote-Liste-Zentrum gilt nur ein Viertel der 108 für Deutschland bewerteten Ameisenarten als ungefährdet. Schuld ist die Bindung vieler Arten an hochwertige Biotope, die durch menschlichen Einfluss unter Druck geraten.
Durch ihre unglaubliche Anzahl von ca. 10 Billionen auf diesem Planeten gestalten Ameisen die terrestrischen Ökosysteme mit. Für die Natur sind sie wesentlich unverzichtbarer als der Mensch. Im Naturgarten sind sie keine Gegner, sondern Verbündete für eine standortgerechte Bepflanzung und für Artenreichtum. Mit ihren Kriegen, Beutezügen, der Sklaverei, den Staatengründungen, mit ihren Bauwerken, den Straßen und der chemischen Kommunikation erzählen Ameisen zudem die spannendsten Geschichten im ganzen Naturgarten.
Faszination Ameise
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Ameisen gehören zu den Aufräumtrupps des Gartens. Ohne sie würde viel Aas liegen bleiben.
Guntersblum, Garten, 24.9.22
Sie transportieren deutlich größere Beute. Und arbeiten dabei kooperativ zusammen. Die Kommunikation erfolgt vor allem über Duftstoffe.
Guntersblum, Garten, 9.4.23
Ameisen betreiben Landwirtschaft. Sie wissen, welche Laus auf welche Pflanzenart gehört. Sie verteidigen ihr Vieh gegen Feinde und ernten im Gegenzug Honigtau. Ameisen besitzen einen sozialen Magen, der Honigtau wird an Schwestern und Larven abgegeben.
Guntersblum, Garten, 11.7.21
Ameisen kommunizieren über Duftstoffe, die sie beispielsweise wahrnehmen, wenn sie sich gegenseitig mit ihren Fühlern begrüßen. Guntersblum, Garten, 10.05.2024
David gegen Goliath. Gegen die angriffslustigen Rasenameisen hat die große Formica-Art keine Chance. Guntersblum, Garten, 16.06.2024
Ameisen können große logistische Herausforderungen meistern. Hier haben hunderte Ameisen ihr angestammtes Nest verlassen. Nicht die Königin bestimmt über die Logistik, sondern die Arbeiterinnen bestimmen das Ziel und organisieren die Logistik.
Guntersblum, Garten, 10.6.23
Ameisenköniginnen können fliegen. Hier werden mehrere Jungköniginnen rund um den Hochzeitsflug von aufgeregten Arbeiterinnen nach draußen begleitet.
Guntersblum, Garten, 11.8.23
Ameisen sind Baumeister und fürsorgliche Ammen. Hier haben sie einen Turm aus Erde rund um Pflanzenstängel aufgeschüttet. Im Innern sind die Ameisen zu sehen, die sich aufgrund ihres jungen Alters dem Job der Amme widmen.
Guntersblum, Garten, 15.8.23
Waldameisen sind bekannt und bedroht. Leider lassen sich für ihre imposanten Staaten im Garten normalerweise nicht die richtigen Bedingungen schaffen.
Perlacher Forst, 31.7.23
Einige aus der Gruppe der Waldameisen schaffen es aber auch in den Garten. Diese Truppe zeigt eindrucksvoll, wie man einen Veilchensamen mit wenigen ineinander verhakten Beinen einen Felsüberhang hinaufträgt.
Formica spec., Guntersblum, Garten, 6.4.24
Viele Frühlingsblumen produzieren extra Öl und Aminosäure enthaltende Kügelchen, damit die Ameisen ihre Samen transportieren. Für diese Formica scheinen sie der Leckerbissen des Jahres zu sein.
Formica spec., Guntersblum, Garten, 6.4.24
Ameisen sind aufgrund ihrer Individuenstärke und Verbreitung ein wichtiger Baustein im Netz des Lebens. Hier: Pflanzensaft wird zu Laus wird zu Honigtau wird zu Ameisenfutter. Guntersblum, Garten, 10.05.2024
Ameise versus Marienkäfer: Beide wollen Läuse in Nahrung verwandeln. Nur gewinnt die Ameise Futter aus lebenden Läusen und der Marienkäfer tötet sie, um sie zu essen. Daher verteidigen Ameisen ihre Lauskolonien gegen Marienkäfer und viele Andere.
Guntersblum, Garten, 13.5.23
Das Verhältnis Ameise zu Wildbiene könnte man als angespannt bezeichnen. Sie teilen sich mehrere Lebensräume: Boden und Pflanzen. Wildbienen auf der Blattlaus-Kolonie werden manchmal angegriffen.
Guntersblum, Garten, 5.8.21
Wusstest Du schon, dass…?
- Ameisen den Gartenboden lockern und belüften? Ja, Regenwürmer auch…doch feinkrümelige Erde gibt es im schweren Lehmboden von Guntersblum nur dort, wo die Ameisen am Werk sind.
- Ameisen sich als Humusbildner betätigen? Indem sie organisches Material sammeln, verwerten, verbauen und auf Abfallhaufen entsorgen, arbeiten sie Nährstoffe in den Boden ein.
- eine ganze Reihe von Pflanzen sich darauf spezialisiert hat, ihre Samen von den Ameisen zu den nährstoffreichen Abfallhaufen der Kolonie tragen zu lassen?
- Blütenteppiche im Frühjahr oft das Werk von Ameisen sind?
- Ameisen „Schädlinge“ regulieren? Beispielsweise locken die Kirschbäume Ameisen gezielt an, um sich von blattfressenden Raupen etc. befreien zu lassen.
- Ameisen so spannenden Arten wie Zauneidechsen und Grünspechten als wichtige Nahrung dienen?
- eine ganze Schar von Ameisenarten darauf angewiesen ist, die Arbeiterinnen anderer Arten zu versklaven?
- Ameisen über chemische Botenstoffe miteinander über Themen wie Wege, Nahrung, Gefahr, Großereignisse, die Fruchtbarkeit der Königin usw. kommunizieren?
- die Arbeiterinnen sich am Nestgeruch erkennen? Was von anderen Tierarten schamlos ausgenutzt wird?
- die Arbeiterinnen Schwestern sind, die näher miteinander verwandt sind als wir Menschen mit unseren Eltern?
- der Ameisenstaat streng in Kasten und Aufgaben pro Lebensphase gegliedert ist?
- die Königin verwöhnt wird und Eier legen darf, aber ansonsten nichts zu melden hat, sondern der Staat Bottom up durch Solidarität und Gruppenbildung regiert wird?
- Ein ganzes Volk in einer Eichel wohnen kann? Oder viele Arten auf Bäumen leben?
- dass invasive Arten wie die argentinische Ameise auch in Deutschland gefährlich für die Biodiversität werden können?
Artenvielfalt durch Ameisen
Paläste mit gefüllten Speisekammern ziehen den einen oder anderen Untermieter an. Hier hat sich die Larve des Ameisen-Sackkäfers mit Kot getarnt, um im Ameisenbau mitzuwohnen.
Guntersblum, Garten, 12.4.22
Der adulte Ameisen-Sackkäfer - nichts deutet mehr auf die Jugend im Ameisenbau hin. Noch viele weitere Käferarten verbringen die Jugend in oder bei den Ameisenbauten.
Guntersblum, Garten, 25.6.21
Er sieht aus wie eine Waldameise, er bewegt sich wie eine Waldameise und er mischt sich unter die Waldameisen. Doch wahrscheinlich ist dieser faszinierende Geselle ein Halskäfer. Omonadus indet., Guntersblum, Garten, 12.4.2024
Diese faszinierende Grille ist eine Ameisengrille. Sie verbringt ihr ganzes Leben versteckt im Ameisenbau.
Foto: Kathrin Jäckel, Garten, Schmalkalden-Meiningen
Ameisenasseln leben ebenfalls in Ameisennestern. Sie fressen dort nicht nur Abfälle, sondern auch die Eier der Ameisen.
cf Platyarthrus hoffmannseggii Guntersblum, Garten, 7.4.24
Leuchtendblau im Flachland - der Lungenenzian (Gentiana pneumonanthe) war einst die Heimat des Lungenenzian-Ameisenbläulings. Doch wenn die Pflanze ausstirbt, nützt selbst das Vorkommen der Ameisen nichts mehr und der Bläuling verschwindet.
Blattläuse liefern Honigtau und werden von Ameisen vor Marienkäfern und Schwebfliegen beschützt. Ähnliche Beziehungen gibt es auch zu anderen Schnabelkerfen.
Guntersblum, Garten, 11.7.21
Zur erfolgreichen Symbiose dieser Spinnenart gehört Dreierlei: auszusehen wie eine Ameise, rastlos umherzulaufen wie eine Ameise und sich in der Nähe von Ameisen aufzuhalten.
Zodarion spec, Guntersblum, Garten, 6.4.24
Dreifach getarnt können die Spinnen sich ganz nah an den Nesteingang der wehrhaften Rasenameisen wagen. Dort lauern sie den arglosen Ameisen auf.
Zodarion spec, Guntersblum, Garten, 3.5.23
Das gleiche Prinzip - Aussehen plus Bewegung - hat diesem Tier den Namen Spinnenameise verliehen. Allerdings handelt es sich weder um eine Spinne noch um eine Ameise. Es ist eine Kuckucks-Grabwespe. Das Weibchen dieser Wespenart hat keine Flügel.
Guntersblum, Garten, 5.8.21
Das Männchen besitzt Flügel und gleicht somit einer Ameisenkönigin. Innerhalb der Wespen bilden die Ameisenwespen eine eigene Familie.
cf Smicromyrme rufipes, Guntersblum, Garten, 21.6.21
Die Ameisen-Sichelwanze ahmt als Nymphe das Aussehen einer Ameise nach, jedoch ohne Herumlaufen. Die Weißfärbung in der Körpermitte täuscht die schmale Taille einer Ameise vor.
cf Himacerus mirmicoides, Guntersblum, Garten, 13.8.23
Die Wechselbeziehungen zwischen Ameisen und anderen Tierarten sind komplex, faszinierend und noch immer voller Geheimnisse. Ameisen bereichern den Naturgarten um Arten, die ohne Ameisen dort nicht existieren könnten. Myrmekophilie (“Ameisenliebe”) beschreibt die Anpassung von Tierarten und Pflanzenarten an das Zusammenleben mit Ameisen. Davon kann ein einfaches Nachahmen (Mimikry) unterschieden werden. Weitere Tierarten profitieren von Ameisen als Nahrung.
- Es gibt Tierarten, die das Aussehen der Ameisen nachahmen, um Vögel abzuschrecken.
- Es gibt zahlreiche Tierarten, die den chemischen Coctail des Wirtsnests nachahmen, um von der Fürsorge zu profitieren oder zumindest ungestört im Bau zu leben.
- Ein ganzer Tross von Tierarten verwertet die Nahrung bzw. die Abfälle der Ameisennester.
- Ameisen werden von Viren, Pilzen und Parasitoiden befallen.
- Einige Tierarten – darunter Bläulinge – lassen sich ins Nest schleppen, oder werden wie manche Lausarten dort von den Ameisen über den Winter gebracht.
- Zahlreiche Tierarten produzieren Honigtau, um im Gegenzug von Ameisen beschützt zu werden.
- Einige Wirbellose fressen Ameisen im oder um das Nest herum, oft unter dem Deckmantel chemischer Tarnung.
Myrmekophilie gibt es u.a. bei Schmetterlingen (Bläulingen), Schwebfliegen, Käfern, Grillen, Fischchen und Spinnen.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der spannenden Fakten, die es im Reich der Ameisen zu entdecken gibt.