Mit ungewaschenem Sand bauen und beobachten
Zahlreiche Wildbienenarten nisten gerne in lockerem, vollsonnigem Boden. Ein Sandhügel oder Sandbeet aus ungewaschenem Sand wird beispielsweise von der Frühlings-Seidenbiene bewohnt. Auch für Grabwespen sind Sand-Nisthilfen unverzichtbar. Beet oder Hügel? Gewaschener Sand, ungewaschener Sand oder Sanderdgemisch? Bepflanzen oder nicht? Dieses Kapitel bietet Diskussion und Anleitung. Denn: Ein gut angelegter vollsonniger Sandhügel ist lebendiger als ein Bienenstock und bietet Lebensraum für unterschiedliche Tierarten.
Die nachfolgenden Fotos zeigen, welche Tierarten in nur 3 Tonnen ungewaschenem Sandhaufen im Beispielgarten Guntersblum leben – auf lediglich ca. 6 Quadratmetern.
Der Sand lebt
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Ein leichtes Vogelnetz über die Trockenmauer gebreitet erhält die Eidechsenpopulation trotz Elstern und Katzen am Leben. Guntersblum, Garten, 26.06.2021 Das Netzt ist locker aufgelegt und am Rand mit Steinen beschwert. Die Eidechsen schlüpfen unter dem Rand durch. Die Insekten fliegen recht problemlos durch die Löcher .
Die Bauanleitung für ein Sandarium nach Guntersblumer Vorbild
In Guntersblum gibt es drei Schlüssel zum Erfolg: 1. Der Haufen ist groß 2. Der ungewaschene Sand ist stabil 3. Die Umgebung ist nahrungsreich.
Dies ist die Anleitung:
- Wähle einen möglichst vollsonnigen Platz. Die Hitze sollte mittags kaum erträglich sein.
- Stelle sicher, dass ausreichend Abstand zu Bäumen und Büschen gegeben ist.
- Steche den durchwurzelten Boden ab. Unter dem Haufen und in der unmittelbaren Umgebung sollte kein einziger Ausläufer einer Pflanze mehr vorhanden sein. Im Bereich der Mauer wird der Boden auf ca. 1m Breite mindestens 20cm tief ausgehoben.
- Verwende ca. 1to Schotter 0/32 um unter der Mauer eine ca. 1m breite Tragschicht festzurütteln.
- Beschaffe ca. 3to ungewaschenen Sand. Dieser naturbelassene Sand wird unter verschiedenen Bezeichnungen im Baustoffhandel angeboten. Er zeichnet sich durch eine hohe Stabilität bzw. eine geringe Rieselfähigkeit aus. Wenn möglich testest Du einen Eimer Sand vorab. So könnte der Test aussehen: Forme aus feuchtem Material eine Kugel und einen Berg mit durchgehendem Tunnel. Lass beides trocknen, nass regnen und wieder trocknen. Beide Formen sollten danach noch erkennbar sein.
- Beschaffe ca. 1to Natursteine, Gewicht ca. 10-30 kg/Stein. Im Beispiel wurde Grauwacke verwendet.
- Baue auf der Tragschicht mittig die Trockenmauer. Vermeide Kreuzfugen. Hinterfülle die Mauer mit kleineren Steinen. Die großen Steine sollten so sauber aufeinander liegen, dass sie ohne „Stützen“ aus Füllmaterial oder Steinchen auskommen. Baue nicht senkrecht, sondern die oberen Reihen leicht nach Innen versetzt. Im Beispiel wurde nur eine von vier Seiten des Haufens ummauert: Die anderen drei Seiten sind offener Sand mit starkem Gefälle, da Insekten sehr gerne ihre Eingänge in schräge Sandflächen graben. Die Mauer läuft zu beiden Seiten hin flach aus. Vor der Mauer sollte sich ein Fußbereich aus Schotter ohne Bewuchs befinden.
- Errichte den Sandhaufen hinter der Mauer. Da man mit der Schubkarre nicht über die Mauer fahren kann, muss dies ggf. vor oder parallel zum Mauerbau geschehen. Jede neue Schubkarre sollte sofort festgestampft werden.
- Fahren fort, bis hinter der Mauer ein möglichst hoher Hügel mit Bergkuppe aufragt. Gerundete Flächen sind attraktiver als ebene Flächen.
- Fertig!
Schritt für Schritt ein Sandarium bauen in Bildern
Dieses Sandarium ist zu klein für offenliegende Steilhänge, der Sand muss allseits am Abrutschen gehindert werden. Es wurden kleine Steine ohne Tragschicht verbaut. Das Mäuerchen ist niedrig genug um beim Einsturz niemanden zu verletzen. Stabiler als gedacht: Nach zwei Jahren ist immer noch jeder Stein an seinem Platz.
Nicht nur Tiere, sondern auch Wildblumen finden das Sandarium sehr interessant. Sie rücken mit Samen und Ausläufern unaufhaltsam voran. Spätestens jetzt ist Jäten angesagt (aber vorsichtig!). Warum? Das sind doch wertvolle Pollenquellen? Ja, aber im feuchten Blätterschatten und im unterirdischen Wurzelgewirr nisten die anspruchsvolleren Arten nicht mehr. Und der Nistplatz ist nun einmal das Wertvollste am Sand.
Auf großen Teilen des Hügels darf auf Dauer nichts wachsen. Am schonendsten ist es, wenn man schon die kleinen Jungpflanzen vorsichtig mit zwei Fingern senkrecht herauszieht, als würde man einen Splitter entfernen. Dazu darf man auch ganz vorsichtig und nur oberflächlich mit der Spitze des Unkrautstechers anhebeln. Am besten bei feuchtem Wetter, da bleibt der Sand stabiler.
Zu jedem Bauschritt sind Abweichungen möglich. Die Abweichungen und die wahrscheinlichen Folgen der Abweichungen sollen hier diskutiert werden:
Zu 1. „Standortwahl“: Ein weniger heißer Standort dürfte zu einer geringeren Artenvielfalt der Wespen führen. Frühlingsseidenbienen sind hingegen auch mit normalwarmen Lagen zufrieden.
Eine größere Nähe zu Büschen und Bäumen führt zu Fallaub, das entfernt werden muss, oder zum Zuwachsen, dies würde den Ort für Insekten unattraktiv machen.
Der absolute Luxus-Standort ist hell, warm und überdacht. Beispielsweise in einer halboffenen Scheune, unter einem Carport, am Rand der Terrassenüberdachung, unter einem eigens errichteten Plexiglasdach… Ohne Überdachung schwemmt der Regen jedes Mal die Eingänge zu. Die Insekten lassen sich davon jedoch wenig stören.
Zu 2. „Bodenvorbereitung“: In einigen Wildbienenprojekten wurde der Sand einfach ohne Bodenbearbeitung abgekippt, fertig. Das ist natürlich möglich, sofern man auf die Mauer verzichtet. Allerdings: Wurzelausläufer, die von unten durch den Haufen stoßen, lassen sich nicht mehr ausrotten und tiefgreifendes Jäten im Haufen würde Nistplätze zerstören. Je mehr Ausläufer oder Wurzeln der Haufen enthält, umso unattraktiver ist er für Insekten.
In vielen Anleitungen wird zu einem großflächigen Bodenaustausch geraten: der vorhandene Boden wird 30cm oder tiefer gegen ungewaschenen Sand ausgetauscht. Es wird kein Hügel, sondern eine ebene oder leicht gewölbte Fläche errichtet. Das Stichwort lautet Sandbeet oder Sandlinse. Dies ist selbstverständlich möglich und nah am natürlichen Vorbild. Ein Sandbeet benötigt zudem keine Mauer. Allerdings fehlt den Insekten bei einer bodenebenen Lösung die Möglichkeit, seitliche Eingänge zu bauen. Man muss also mindestens ein kleines Relief anlegen.
Soll es sich in erster Linie um eine Nisthilfe für Eidechsen handeln, wäre es sinnvoll, den Boden 1m tief auszuheben, grobe Steine mit reichlich Zwischenräumen hineinzufüllen und darauf das Sandbeet oder den Sandhaufen zu errichten. Die Lücken zwischen den vergrabenen Steinen sollen als frostfreies Überwinterungsquartier dienen. (Im warmen Rheinhessen überwintern die Eidechsen allerdings auch ganz ausgezeichnet ohne diese Maßnahme.)
Zu 3. „Tragschicht“: Der Schotter wird nur benötigt, wenn der Haufen mit einer Mauer eingefasst wird. Ansonsten wird der Schotter vollständig weggelassen. Eine Mauer ohne Tragschicht kann möglicherweise recht schnell im Boden versinken oder einstürzen. Je nach Höhe oder Kunstfertigkeit der Mauer kann auch eine dickere Tragschicht erforderlich sein.
Zu 4. „Ungewaschener Sand“: Frage 1: Ist ungewaschener Sand schlecht für Wildbienen, weil er schmutzig ist? Antwort: Ungewaschener Sand ist nicht schmutzig, er ist naturbelassen. Ungewaschen bedeutet: Der Sand ist genau so, wie er in der Grube abgebaggert wurde – leicht zu graben, aber sehr stabil, da Feinanteile, Steinchen und Erdreste die Sandkörner aneinander binden. Selbst Eidechsenlöcher bleiben tagelang intakt. Die Stabilität ist das A und O für den Erfolg. Natürlich dürfen auch mehr als 3to Sand beschafft werden – je größer, umso besser.
Frage 2: Nutzen sich die Mandibeln (damit wird gegraben) bei ungewaschenem Sand zu schnell ab? Antwort: Wichtig ist, dass die Insekten überhaupt graben. In 10m² gewaschenem Sandbeet (dem Sandkasten) grub in neun Jahren in Guntersblum kein einziges Insekt. Von reinem gewaschenem Sand ist dringend abzuraten! (Nur mit Glück und ohne jegliche Garantie besiedeln Insekten manchmal alte Sandkästen). Ungewaschenen Sand auf den Guntersblumer Sandkasten obenauf gekippt – und wenige Tage später zogen die Insekten ein. Die Hypothese: Offensichtlich nehmen Insekten eine gewisse Abnutzung ihrer Mandibeln gerne in Kauf, wenn dafür ihre Tunnel nicht einstürzen.
Frage 3: Kann ich gewaschenen Sand verwenden, wenn ich ihn mit Erde mische? Schließlich sorgt die Erde für den benötigten Feinanteil. Antwort: Das machen viele Menschen. Eine gute Mischung zu erzielen erfordert jedoch viel Fingerspitzengefühl. Ein Beispiel: In Guntersblum bestehen die Blumenbeete aus 1/3 gewaschenem Sand, mit Erde gemischt. Und ja, es nisten mehrere Wildbienenarten darin. Eidechsen und Wespen stürzen sich jedoch wie die Ertrinkenden auf das Sandarium. Die Hypothese: Je höher der Sandanteil, umso spezieller die Insekten, je höher der Erdanteil, umso gewöhnlicher die Insekten. Ungewaschene Sandhaufen sind Mangelware, Sand-Erdgemisch ist keine Mangelware. Es existieren Insekten, die nur kommen, wenn die Mangelware „ungewaschener Sandhaufen“ angeboten wird.
Frage 4: Kann ich den Sand auch in ein Gefäß oder ein Hochbeet einbauen? Ja. Allerdings muss ein hervorragender Wasserabzug gewährleistet sein. Insgesamt handelt es sich um eine Lösung für begrenzte Räume und wird weniger erfolgreich sein als ein Sandhaufen oder ein Sandbeet. Wenn möglich sollte auch das Gefäß mit einem gewölbten Haufen befüllt werden.
Zu 5. und 6. „Mauerbau“: Hier sind der Phantasie und dem Geldbeutel keine Grenzen gesetzt. Umfangreiche Anleitungen zum Mauerbau finden sich in „Das Naturgartenbau Buch von Witt und Hilgenstock“. Generell gilt: Zu kleine, zu unregelmäßige Steine stürzen eher ein. Das ist schade für die Optik, beeinträchtigt die ökologische Funktion jedoch kaum. Der Sandhaufen selbst funktioniert auch ganz ohne Mauer. Dann sieht er jedoch unordentlich aus und kann auseinanderrutschen. Mein Rat: Lieber eine einstürzende Anfängermauer als gar keine – im Zweifelsfall einfach nicht so hoch bauen.
Zu 7. „Haufen errichten“: Einfach abkippen erzeugt auch einen Haufen, der im Lauf der Zeit Tiere anlocken wird. Das ständige gründliche Feststampfen, Rütteln o.Ä. verfestigt jedoch den Haufen, und das wiederum beschleunigt die Besiedlung. Zudem macht es den Sand für Katzen unattraktiver – je fester der Sand, umso schlechter können sie darin scharren.
Zu 8. „Berg statt Ebene“: Selbst in eigentlich ebenen Flächen sehe ich immer wieder Wildbienen, die winzige Höhenunterschiede nutzen, um seitliche Eingänge zu graben. Hypothese: Seitliche Eingänge scheinen stabiler zu sein. Stell Dir einmal vor, Du hättest einen Eingang ohne Tür darin und jeder Regen könnte eindringen. Würdest Du diesen Eingang oben auf dem Dach oder eher an der Seitenwand des Hauses anlegen?
Zu „Fertig!“: Wer noch nicht fertig sein möchte, kann a) Totholzstücke darauf legen oder b) ein paar Steine darauf legen als Sitzplatz für die Insekten. Für ein maximales Nistangebot muss jeglicher Bewuchs hin und wieder herausgezupft werden. Für ein naturnahes Mischangebot aus Nisten und Nahrung eignet sich das Wildbienenbeet „Das Sandarium blüht„.
Hier geht’s weiter zum Nisten im Erdboden – den dreiviertel der nestbauenden Wildbienenarten nisten unterirdisch.